Ruffato, Luiz: Feindliche Welt

Vorläufige Hölle, Bd. 2. Aus dem Portugiesischen von Michael Kegler
Berlin: Assoziation A, 2014. 192 S., geb., 18,00 €.
978-3-86241-430-7
Der alte Zé Pinto weigert sich, zu sterben. Während er sich im Dämmerlicht billiger Videofilme hartnäckig ans Leben klammert, wartet der Neffe darauf, endlich dessen Lebenswerk, die „Gasse", eine Ansammlung von Armenbehausungen, abreißen zu können. Alles zerfällt. Aus São Paulo kommen die Jungen zurück, stolz die einen im VW-Käfer, der Wohlstand vorgaukelt, zumeist gescheitert die anderen. Auf der Suche nach dem, was geblieben ist von der Familie, die "alles (war), was wir nicht hatten".
Zé Pintos Gasse, eines der Armenviertel der Textilindustriestadt Cataguases im Landesinneren Brasiliens, ist Dreh- und Angelpunkt dieses zweiten Teils des Romanzyklus "Vorläufige Hölle". Sie ist Zwischenstation und vorübergehende Heimat derjenigen, die aus dem kargen, archaischen Leben auf dem Land in das Elend der Städte ziehen. Wohnstätte der Dienstboten und Industriearbeiter, Ausgangspunkt der nächsten Migration. Ziel der vergeblichen Rückkehr. Wie schon „Mama, es geht mir gut" ist auch dieser Roman ein sorgsam zerrissenes Gewebe aus Geschichten und Gedanken, aus Vergangenem und schüchternen Ausblicken in die Zukunft. Die Erzählstränge sind ineinander verwoben, manchmal begegnen sie sich, manchmal laufen sie nebeneinander her.
Mit geradezu körperlicher Empathie stellt Luiz Ruffatos Projekt einer Geschichte des brasilianischen Proletariats Individuen in den Vordergrund, die umgeben von einer großen und feindlichen Welt im Sog der Geschichte zu überleben versuchen. (Verlagsinformation)
Michael Kegler wurde 1967 in Gießen geboren und hat einen Teil seiner Kindheit in Liberia und Brasilien verbracht. Er arbeitete als Buchhändler und Journalist und übersetzt seit 1992 Literatur aus dem Portugiesischen, u.a. Werke von José Eduardo Agualusa, Felipe Tadeu, João Paulo Cuenca, Michael Laub, Moacyr Scliar und Luiz Ruffato. Seit 2001 unterhält er das Internetportal nova cultura, das regelmäßig über kulturelle Ereignisse aus dem portugiesischsprachigen Raum informiert. Kegler erhielt 2014 zusammen mit Marianne Gareis den Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW. Er lebt in Hofheim/Taunus.
Der Autor:
Luiz Ruffato wurde am 4. Februar 1961 in Cataguases, Bundesstaat Minas Gerais geboren. Er arbeitete u.a. als Verkäufer und Mechaniker und studierte in der gleichen Zeit Journalismus. 1998 veröffentlichte er einen ersten Band mit Kurzgeschichten. Drei Jahre später folgte der Roman Eles eram muitos cavalos (dt. Es waren viele Pferde, siehe Bücher zu Brasilien, S. 57f.), der die brasilianische Literatur revolutionierte, von der Kritik enthusiastisch aufgenommen und u.a. mit dem Prêmio Machado de Assis der brasilianischen Nationalbibliothek ausgezeichnet wurde. Eine Jury von Literaturkritikern der Zeitung Globo zeichnete das in mehrere Sprachen übersetzte Buch als einen der zehn besten brasilianischen Romane der letzten Dekade aus. In den Jahren zwischen 2005 und 2011 schrieb Luiz Ruffato, der seit 2003 ausschließlich als Schriftsteller arbeitet, den fünfbändigen Zyklus Inferno próvisorio (dt. Vorläufige Hölle), von dem die beiden ersten Teile inzwischen in deutscher Übersetzung vorliegen („Mama, es geht mir gut“, 2013, siehe Bücher zu Brasilien, S. 58f. und „Feindliche Welt“, 2014.)
Luiz Ruffato lebt in São Paulo.
(Foto: © Adriana Vichi)
Titel:

Luiz Ruffato lebt in São Paulo.
(Foto: © Adriana Vichi)
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