Fernández, Nona: Die Toten im trüben Wasser des Mapocho

Roman. Aus dem chilenischen Spanisch von Anna Gentz.
Wien: Septime, 2012. 260 S., geb. m. SU., 20,90 €.
O: Mapocho. 2003
978-3-902711-09-0
Rucia, die Erzählerin dieses Roman kommt nach Santiago zurück und begibt sich auf Spurensuche. Ihre Mutter war nach dem Militärputsch und dem Tod des Vaters mit ihr und dem Sohn Indio nach Spanien emigriert. Rucia kommt mit der Asche ihrer Mutter zurück um sie in den Mapocho zu streuen. Sie trifft ihren Bruder wieder, mit dem sie eine enge Liebe verbindet. Die dritte Hauptperson des Romans ist Fausto, ein alter Historiker, der eine Geschichte des Landes verfasste, in der all das nicht existierte, was den damaligen Machthabern nicht passte.
„Es ist nicht wahr, dass die Toten nichts fühlen", heißt es gleich zu Beginn des Romans. Und es ist auch nicht wahr, dass die Toten tot sind. Rucia jedenfalls liegt in einem offenen Sarg und treibt auf dem Mapocho, der die Hauptstadt durchquert. „Von hier aus kann ich mich dort oben stehen sehen, auf einer dieser Brücken, die über den Fluss führen".
Der Roman besteht aus einem verwirrenden Konzert von toten und lebenden Stimmen; eine große Anzahl von Personen tritt auf, die Zeugnis ablegen über die mannigfachen Geschehnisse aus der Geschichte Chiles, angefangen vom Kampf der Araucaner gegen die spanischen Eroberer bis zu den Ereignissen während des Militärputschs von 1973. Allerdings erwartet die Leserinnen und Leser keine linear erzählte Geschichte. Ebenso wie Realität und Traum sich vermischen, sind auch die Zeitebenen einem ständigen Wechsel unterworfen. Oft entspricht die Sprache den geschilderten grausamen historischen Ereignissen, sie ist aber auch poetisch, wenn die Liebe der Protagonistin zu ihrem Bruder geschildert wird.
So ist ein buntes, mitunter beklemmendes Mosaik entstanden, das die Leserinnen und Leser bis zur letzten Seite in seinen Bann zieht.
Klaus Küpper, BzL
Anna Gentz (geb. 1980) studierte Romanistik und Pädagogik in Frankfurt am Main. Sie schrieb Artikel für die Neuauflage 2010 des Kindlers Literatur Lexikons, u. a. zu Julio Cortázar, Ernesto Sábato und José Eduardo Agualusa. Sie übertrug Erzählungen einen Roman der bisher im deutschen Sprachraum unbekannten chilenischen Autorin Nona Fernández.
Die Autorin:
Nona Fernández (Patricia Paola Fernández Silanes) wurde am 23.6.1971 in Santiago de Chile geboren. Sie ist ausgebildete Schauspielerin, Schriftstellerin und Drehbuchautorin. Sie hat bisher vier Romane mehrere Erzählungen und Drehbücher geschrieben für die sie eine Reihe von Preisen erhalten hat, darunter zweimal den den chilenischen Literaturpreis Premio Municipal de Literaturain der Kategorie „Bester Roman“. Für „Twilight Zone“ wurde sie mit dem Premio Sor Juana Inés de la Cruz ausgezeichnet und für den National Book Award USA nominiert. Ihr überetztes Theaterstück „Mädchenschule“ war für den Deutschen Jugendtheaterpreis 2022 nominiert. Nona Fernández zählt mittlerweile zu den führenden Schriftstellerinnen Chiles; Roberto Bolaño bezeichnete sie einst als eine der großen Entdeckungen der jungen chilenischen Literatur („Diese schnörkellose Maßlosigkeit, dieser Mut! Jede einzelne Zeile ist entweder lebensnotwendig oder tödlich, immer gespannt bis zum Äußersten“).
(Foto: © Septime Verlag)
Titel:
Twilight Zone
Die Autorin:

(Foto: © Septime Verlag)
Titel:
Twilight Zone