Rehrmann, Norbert: Simón Bolívar
Rehrmann, Norbert: Simón Bolívar
Die Lebensgeschichte des Mannes, der Lateinamerika befreite.
Berlin: Wagenbach, 2009. 234 S. Mit vielen Abb., geb., 19,90 €.
978-3-8031-3630-5
► Berlin: Wagenbach, 2023 (März). WaT 860. Ca. 256 S., br., 15,00 €.
978-3-8031-2860-7
Über keinen anderen lateinamerikanischen Politiker ist wohl so viel geschrieben worden wie über Simón Bolívar, den Befreier Venezuelas, Kolumbiens, Ecuadors, Perus und Boliviens. Glorifiziert wurde (und wird) er von der Linken für die Abschaffung der Sklaverei, seine kritische Haltung den USA gegenüber oder auch seine fortschrittliche Bildungspolitik, von der Rechten aufgrund seiner autokratischen, ja antidemokratischen, Großmachtphantasien. Die vorliegende Biographie ist eine Anti-Hagiographie, mit der der Dresdener Lateinamerikanist Norbert Rehrmann (1951-2010) gegen den Halbgott ohne Fehl und Tadel anschreiben will. Bereits Gabriel García Márquez hatte mit seinem biographischen Roman "Der General in seinem Labyrinth" das Idol von seinem Sockel heruntergeholt, in dem er Bolívars Altersschwäche und beginnende Senilität in den letzten Monaten vor seinem frühen Tod mit 47 Jahren beschrieb. Rehrmann geht noch weiter, und manchmal scheint es, als ob er gezielt das Negative sucht. Klar arbeitet Rehrmann die elitären politischen Vorstellungen Bolívars heraus, sein Misstrauen gegenüber der indianischen und der Mischbevölkerung, seinen rigorosen Zentralismus. Im Umgang mit dem militärischen Feind schreckte der "revolutionäre Heißsporn" Bolívar auch vor brutalem Terror nicht zurück, etwa als er im Februar 1814 achthundert Kriegsgefangene exekutieren ließ. Aber war Bolivars zentrale Triebfeder - so behauptet Rehrmann - seine "Gier nach Ehre und Ruhm"? Der Autor gesteht Bolívar zwar einen "idealistischen Zug" zu, begründet diesen aber mit dem "extrem starken Bedürfnis nach öffentlicher Anerkennung". Seine "sexuellen Obsessionen" trieben ihn "bis an die Grenze der physischen Erschöpfung", und seine herausragende Willenskraft scheiterte Rehrmann zufolge an der "Megalomanie seiner Zukunftsentwürfe". Der Leser mag diese Einschätzungen teilen oder auch nicht; zugunsten der leichten Lesbarkeit dieses prägnant formulierten biographischen Essays werden sie nur hin und wieder wirklich nachvollziehbar dargelegt.
Christoph Dietz, BzL